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Gauting: Es war eine verschworene Gemeinschaft, die sich am Dienstagabend im Bosco zur Vorstellung von “In mir drin – en moi” einfand, dem Tanztheater mit Julie Laporte, choreografiert und inszeniert von Anna Konjetzky. Nur zwanzig Zuschauer waren zugelassen, und das allein gab dem Abend den Reiz des Besonderen. Der Saal war dunkel, auf der Bühne stand ein Geviert aus zwanzig hölzernen Kabinen. Jeder Zuschauer wurde zu einer Kabine geführt, in der sich ein Haken für die Garderobe, ein Stuhl und der Kopfhörer befanden. Gegenüber der Tür ein Fenster, noch spiegelte dieses, vom Licht in der Kabine beleuchtet, das Gesicht des Zuschauers. Doch dann erlosch das Kabinenlicht, das Fenster gab den Blick frei auf einen Innenraum zwischen den Kabinen. (…) Im Karrée des Innenraumes stand Julie Laporte, ganz in Schwarz gekleidet. (…) Sie beginnt, diesen offensichtlich ihr nicht wirklich gehörenden Körper durch den eng abgesteckten Raum zu bewegen, ihn mit sich zu schleifen, ihn loszulassen. Dazu spricht sie, als spräche es aus ihr, einen nahezu gleichförmigen Monolog, die Zuschauer in ihren Kabinen verfolgen den Sprachstrom über die Kopfhörer, im französischen Original oder in deutscher Übersetzung. Von “Rasierklingen in den Mauern” ist die Rede, ein Bild, das Julie Laporte körperlich umsetzt, wenn sie vor den Wänden, vor dem Boden zurückzuckt. Etwas Ungeheuerliches, das erkennt jeder Voyeur in seiner Kabine, ist geschehen. Langsam, wie beim Schälen einer Zwiebel, entblättert sich die Geschichte, legt Julie Laporte sie frei, so wie sie ihre Haut freilegt, ohne sich dabei äußerlich zu entkleiden. Es ist ein Seelenstrip, und schon bald beginnen die in ihren Kabinen anonym hinter den Fenstern bleibenden Zuschauer sich zu fürchten vor dem, was sich unaufhaltsam offenbart: eine inzestuöse Vater-Tochter-Beziehung, eine dadurch für die Tochter unmöglich gewordene eigene Sexualität und Individualität. Der schmale, sich durch den Raum windende Frauenkörper erzählt diese Geschichte, erzählt vom Vater, der in diesem Körper war. Es ist der Vater, der diesen Körper bewegt, weil er darin war, darin ist. “Ich bin tot, aber nicht tot”, spricht die Stimme in diesem Körper, der selber ein Grab geworden ist. Der sich die Schuhe des Vaters aus einer Holzkiste im Raum nimmt, in der zuvor der Kopf des Körpers einen Schoß gesucht hat. Der in den Schuhen des Vaters eigene Schritte zu gehen vergeblich versucht. Und die Stimme in diesem toten, bewegten Körper spricht von der Markierung, die er zu tragen hat. “Es gibt nur eine Sache, die zählt, die Markierung. Und er hat mich markiert.”
“In mir drin – en moi” ist inspiriert von dem Roman “Inzest” der Autorin Christine Angot. Regisseurin Anna Konjetzky, von der auch die Raumidee stammt, lässt die Akteurin Julie Laporte dabei bis an die Schmerzgrenze gehen, an die eigene und an die der Zuschauer.(…)
Wer hätte das gedacht? Der beste Moment einer gelungenen Tanz-Installation kann ihr Ende sein. Als Anna Konjetzkys Darsteller ihre Hüllen, Rahmen und Schlingen abstreifen, die sie während des Programms tragen, löst sich die düstere Körperschau in geradezu explosiver Erleichterung auf! Die elf Tänzer lockern ihre gespannten Gesichtszüge, hüpfen lachend durch die Muffathalle und nehmen ihren Applaus entgegen. Zurück bleiben leere Schauplätze wie Kokons, in denen gerade noch Körper gefangen waren. Konjetzky baut die Spannung, die diesem Ende voraus geht, geschickt auf. Wie in Frankensteins Gruselkabinett treten die Besucher von „Don’t touch“ zu Anfang: Von der Decke hängen fünf nackte Menschen in Seilen, etwas weiter kleben ein Mann und eine Frau wie Puppen mit einer Stange verbunden an einander, Rücken an Rücken. Eine Dame im Abendkleid windet ihren nackten Rücken in einem sperrigen Bilderrahmen, ein in Mull Gewickelter steht wie ein frisch geklontes Alien auf einem See von Glasscherben, eine andere Nackte scheint in ihrer hängenden Zellophanhülle auf ihre Geburt noch zu warten. Neun solcher Exponate gibt es, eines berückender als das andere. Sie alle scheinen durch und durch künstliche Körper zu sein, oder, schauerlicher, in Einmachgläsern aufbewahrte Sonderbeispiele des Homo Sapiens. Eine „Körperwelten“-Ausstellung der anderen Art. Oder leben diese Geknebelten, zur Schau Gestellten vielleicht nur in einem besonders langsamen Paralleluniversum? Ein bisschen winden sie sich ja. Und es gibt merkwürdige Geräusche. Ein Schmatzen und Schnarren, das an scheußliche Tiere denken lässt, aber genau so gut Magengluckern sein könnte, wie man es im Körperinnern hört. Oder in Zeitlupe. Die Besucher saugen jedenfalls jedes Lebenszeichen gierig auf, strömen wie Mücken dahin, wo die wechselnden Scheinwerfer sie hinlenken. Vor allem um das Meisterwerk der Schau versammeln sie sich: Ein Tryptichon, das zu zwei Teilen aus gespenstischen Schattenbildern besteht (Bühne: Anton Lukas) und zum Dritten aus der Tänzerin Sarah Huby, die als nacktes, lebendes Relief eine Art intellektuelles Pole Dancing an der Leinwand vollführt. Dank ihrer perfekten Proportionen und ihrer wissenden Bewegungen, die sie doch nicht von ihrer Tafel befreien, ist das sonderbar beruhigend anzuschauen, und so wohnt dem ganzen, gequälten Panoptikum hier schon ein Stück Hoffung inne. Leider vergehen fast 60 Minuten, bis die Tänzer aus ihrer Cryo-Starre erwachen. In dieser Zeit dürfte sich doch etwas mehr bewegen. Aber das wichtigste ist ja: Es ist alles nur ein Spiel. Kaum ändert man die Bewusstseinsebene und wird vom Gequälten zum Darsteller eines Gequälten, wird geklatscht und gefeiert. Ein herrliches Gedankenspiel.
Mit schwarzen Stöcken und hautfarbenen Dress erobert sie die Bühne. Kompliziert verschränkt klemmt sie zwei der Holzstäbe zwischen Knie und gegenüberliegenden Ellenbogen, zwischen Arm und Taille. Zu einem maschinenartigen Wesen, einem Körper mit überflüssigen Ersatzteilen verstümmelt, bewegt sich die in München lebende Belgierin über die Bühne. Mit zusätzlichen Körperteilen watschelt sie über die Bühne. Lässt die Stöcke fallen, um sie dann anders aufzunehmen. Immer aber bleiben sie Teil ihrer Bewegungen. Applaus brandet auf(….) Der Höhepunkt, die Vergabe des ersten Platzes. Sahra Hubys Choreografie „Elephantengedächtnis“ hat sich durchgesetzt. „Einfach geil,“ fasst Choreograf und Jury-Mitglied Felix Ruckert zusammen. Die Jury-Begründung fällt kurz und emotional aus. „Du hast ein klares Konzept, hast das hervorragend getanzt.“ Spricht er sie an. Am Ende habe er gedacht: Schade, dass es schon vorbei ist. Da war er nicht der einzige.
Konjetzkys ¸¸Die Summe der Öffnungen” in der Muffathalle. Als würde man Gott oder einem stell- vertretenden Genius bei der Erschaffung eines Lebensraums zuschauen – dieser Eindruck entsteht in Anna Konjetzkys just in der Muffathalle uraufgeführtem Tanzstück “Die Summe der Öffnungen”. Im Zentrum des winkelförmig angeordneten Publikums steht eine aus grau beschichteten Quadern aufgetürmte Felslandschaft, die kurz an das Berliner Stelenfeld, bald aber eher an eine abstrahierte archaische Bergformation erinnert. Diese Bühnenraumskulptur von Anton Lukas wird für die fünf Tänzer zum Auslöser von Bewegung. In schnellen Wechseln lassen sie sich von ihren rhythmisierten Formationen und taktilen Informationen leiten. Dabei entstehen Bewegungsbilder die gleichermaßen abstrakt und unbeseelt wie emotional und sinnlich wirken. Die Tänzer klettern wie die Gemsen, krabbeln mit tief gesenktem Körper wie Kakerlaken, verschanzen sich wie Menschen-Clans im Gebirge. Dann wieder fallen Körper wie Steinschläge oder begegnen einander in der Andeutung eines rohen Liebesakts. Sie lassen virtuos dramatische Bilder entstehen, aus denen Mythen erwachsen könnten. Rhythmen werden umgeschichtet, in andere Bewegungsabläufe übergeleitet, schließlich zu einem Regelwerk, das nach Deutung verlangt, ohne sie vorzugeben. Der Zuschauer bekommt eine Ahnung von den ordnenden Urkräften, die aus einem ungerichteten Bewegungspotential verstandes- oder intuitiv gesteuerte Tätigkeiten werden lassen. Verstärkt wird dieser archaische Ein-druck durch Laura Konjetzkys Musik, die am Klavier obertonintensive Flageolett-Klänge minimalistisch aufgenommen hat. In einer klug zwischen Suggestion und Klangentfaltung gehaltenen Dynamik sind die Klänge Echo, Impuls und ätherische Naturstimmung. Ebenso konsequent durchkomponiert wie das Bühnengeschehen, spiegeln sie dieses kongenial und halten es in der Schwebe.
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(…) aber für Münchens wohl beste Nachwuchschoreographin Konjetzky, 30, ist es nichts Ehrenrühriges, den Gast bei Null abzuholen, er folgt dann gerne in komplizierte Höhen. Die vier Körper werden geworfen, gezogen, auseinander, aufeinander, gespült, ergriffen, gewirbelt, gepresst, geschleift… Das Kunststück, das gerade der 28-jährigen Sahra Huby gelingt ist, den Körper dabei passiv aussehen zu lassen: Er springt nicht, sondern wird geworfen. Außerordenlich ist das letzte Bild, das auf einer weißen schrägen Fläche das Schmelzen eines Gletschers zeigt… . Völlig unvorhersehbar ist, wo die Physik, wo der Druck und Zug als nächstes zuschlagen – das ist auch für den Zuschauer 30 Minuten körperlich fühlbare Spannung. So anregend waren Glazialkräfte noch nie.
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Wie viel Spaß Forscherdrang, Bewegung und Musik machen, das konnten die kleinen Besucher der Uraufführung von “Die Wunderkammer” am Hessischen Landestheater Marburg am Samstag erleben. Zwei Schauspieler und eine Tänzerin veranstalteten eine Stunde lang einen mitreißenden Wirbel aus Kreativität und Körperlichkeit. Die Tänzerin und Choreographin Anna Konjetzky hat sich das Stück ausgedacht, angelehnt an den Kinderbuchklassiker “Serafin und seine Wundermaschine” aus den 60er Jahren, in dem ein Erfinder vertrackte und zweckfreie Maschinen konstruiert, Maschinen, in denen Dinge sich bewegen, gegenseitig anstoßen. Neue Bewegungen oder Klänge lassen auch die drei Freunde auf der Bühne entstehen, aus Dosen, Pappe, Schnüren, alten Fahrradreifen oder Kisten. Glücklich das Kind, das eine solche Wunderkammer besitzt, denkt man unwillkürlich, wenn man die Schauspieler Oda Zuschneid und Ogün Derendeli und die Tänzerin Sahra Huby beobachtet, wie sie ihrer Fantasie freien Lauf lassen, schwungvoll und verspielt. Eine solche Wunderkammer hat aber jedes Kind im Kopf, und es braucht nur ganz wenig, um sie zu betreten. Was dann alles möglich ist, zeigen die drei auf der Bühne, frech, vergnügt, rotzig. Mit viel rhythmusbetonter Musik, wenig Sprache, mit tänzerischen Einlagen, ungeheuer körperbetont. Dass es wichtige Erfindungen sind, die sie da machen, sieht man sofort. Dabei rangeln sie und piesacken sie sich ein bisschen, mal muss einer in der Kiste verschwinden und mal eine andere als Basketball herhalten. Ganz nebenbei zeigen sie auch noch, auf was man so alles Musik machen kann, und wie im richtigen Leben endet der ganze Spaß mit dem ungeliebten Ruf aus dem Off: “Abendbrot!”. Sahra Huby, die schon länger mit Anna Konjetzky zusammenarbeitet, besticht mit ihrer meisterlichen Körperbeherrschung, aber auch die Nicht-Tänzer Zuschneid und Derendeli geben wirklich alles und reißen das Publikum mit ihrer Dynamik mit. Wenig Worte und viel Witz, enorme Spielfreude und eine Menge Anregungen – das kleine und große Publikum zeigte seine Begeisterung am Ende mit viel Beifall.