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Zum Thema Migration wurde das Tanzstück »Ein Bein hier und ein Bein dort« von Anna Konjetzky (freie Produktion) uraufgeführt. Aus der Perspektive eines Kindes wird eine Flucht geschildert. Sechs Tänzer bringen reale Erlebnisse im Dickicht einer Stadt auf die Bühne, aber auch Erinnerungen und Traumsequenzen. Die spärlich eingestreuten Textbruchstücke kommentieren das Erschrecken des kindlichen Helden angesichts der Zerstörung seiner vertrauten Welt sowie die verwirrende Ankunft in der neuen Umgebung. Eine perfekt in Körpersprache übersetzte Suche nach Hoffnung.
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Anna Konjetzkys Stücke gilt es, mit dem Bauch zu sehen, nicht mit dem Intellekt. Beklemmung, Geburt oder Trauma waren in der Vergangenheit ihre Themen, oft unangenehme Kost, die jedoch durch die unmittelbar begreifliche Körpersprache der Choreografin erstaunlich gut verdaulich ankam. Auch in „Lighting“, das in Zusammenarbeit mit dem Vietnam National Opera Ballet entstand, geht es um Gefühle: Druck und Explosion.
Eine unangenehme Geräuschkulisse bildet den Hintergrund, vor dem zehn Tänzer in blaugrauer Kleidung langsam überkochen. Interessanterweise wurden vor der Vorstellung Ohrstöpsel verteilt. Doch nicht die Lautstärke vergrätzte viele Zuschauer, sondern die Hektik, die der Klangcollage (Sergej Maingardt) innewohnt. Zerbrechendes Glas, heulende Polizeisirenen, das Knacken einer zu laut gedrehten Stereoanlage bilden ein rhythmisches, beunruhigendes Klanggewusel.
Konjetzkys Tänzer schwimmen darin wie aufgeregte Fische. Am Anfang wedeln ihre Arme, als ob Funken aufleuchten. Dann schlängeln sich Torsos wie kleine Flämmchen, bis später die ganze Gruppe vereint als Flamme wogt. Die Gruppe steht kurz vor dem ausgeführten Schlag, kurz vor der Revolte, kurz vor der Explosion – und immer weiter werden die Bewegungen, immer chaotischer gegeneinander. Zuletzt steigert sich die Klangkulisse zu einem kreischenden, von Katastrophenklängen durchsetzten Herzrasen, die Tänzer kumulieren und, als Stille eintritt, fließen sie quer über die Bühne. Das Geschehen schießt direkt ins Bewusstsein, kein Zuschauer kann sich erwehren, selbst mit Herzklopfen auf den Rängen zu sitzen! Konjetzkys Kreation packt das Publikum zuverlässig.
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München – 2011 war Anna Konjetzky als Stipendiatin in Jerusalem. Der Aufenthalt in der Metropole mit ihrem prekären politischen Status und den Einwohnern unterschiedlicher Religionen und Kulturen hat die Tänzerin und Choreografin nachhaltig fasziniert. So sehr, dass sie uns in ihrer jüngsten Tanz-Installation ‘Und weil er sich dreht, kehrt der Wind zurück’ auf eine Stadtführung mitnimmt.
Die Muffathalle ist an den Rändern zugestellt mit schwarzen Wänden und weißen Leinwänden, nur die Mitte hat Konjetzky freigelassen. Dort steht oder geht man wie auf einem Marktplatz herum und schaut nach allen Seiten hin auf einen verwinkelten Parcours aus engen Zugängen, kleinen Nischen und Fensterdurchbrüchen. Sie sollen die Altstadt mit ihrem jüdischen, christlichen, muslimischen und armenischen Vierteln versinnbildlichen, vereinzelt unterstützt durch eingespielte Videos oder gezielt angeleuchtete Fotos. Wir sehen einen Markt, Tore, die Klagemauer. Zunächst ist es dunkel, dann gleißt mal in der einen, dann in einer anderen Ecke Licht auf und durchschneidet den Raum wie scharfe Schranken. Schließlich verschwindet es wieder – Symbol für den Alltag in der heiligen Stadt, das Mit- und Gegeneinander von Juden, Christen und Muslimen.
Das fragile Zusammenleben ist auch beherrschendes Thema der Choreografie. Sieben Tänzer und Tänzerinnen prallen in wechselnden Gruppenkonstellationen aufeinander, ziehen sich an, stoßen sich ab. Fallen und stehen wieder auf.
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Wie tanzt man Jerusalem? Wie kann man überhaupt eine Stadt tanzen? Das sind wohl die ersten Fragen, die einem in den Sinn kommen bei der neuen Arbeit „und weil er sich dreht, kehrt der Wind zurück“ der Münchner Choreografin Anna Konjetzky. Entstanden durch ein mehrmonatige Recherche zur und in der Stadt Jerusalem soll die Tanz-Installation eine Art Stadtführung sein, die im abstrakten Raum, angefüllt mit Körpern und Bildern, ein Netz aus Assoziationen spinnt.
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Jerusalem durch den Blick Konjetzkys: Sehr plastisch machen diese Bilder Jerusalem erfahrbar. Sie sind greifbar nahe, lassen die rauen Mauern erspüren, die Enge der mit Menschen überfüllten Straßen, manchmal auch die Verlorenheit im anonymen Raum. Graffitis und Straßenschilder, übermalt oder zerfallen, zeugen von den vielfältigen Prozessen der Stadt.
Die Eindrücke sind flüchtig nebeneinander gestellt. Der Muezzin schreit, Kirchenglocken läuten. Stimmengewirr und Straßenlärm – all das bildet auch die atmosphärische Klangcollage des israelischen Musikers Emmanuel Witzthum, die in manchen Momenten einen im Dämmer versinken lässt, in den Taumel der Stadt mitreißt, Bilder im Kopf kreiert. Jerusalem, die Stadt der Weltreligionen, der Spannungen und Positionen.
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Wie in vielen anderen Arbeiten Anna Konjetzkys ist „und weil er sich dreht, kehrt der Wind zurück“ ein Spiel mit Blicken durch Öffnungen und Einschnitte. Perspektivenwechsel auf Körper, die sich religiöse Codes und alltägliche Verhaltensmuster aneignen, sich in diesen verhaken, sie vermischen und trennen.
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…“ Die unbestuhlte Münchner Muffathalle lädt also zu einem Jerusalem-Spaziergang ein. Und da ist gleich mit der Collage des israelischen Musikers Emmanuel Witzthum der akustische Atem der Stadt: Umrauscht von diesem vielschichtigen und fein gesponnenen urbanen Klangbrausen aus Arbeitsgeräuschen, Stimmen, liturgischen Gesängen und Glockengeläut folgt man den sieben Tänzern durch den Raum, während auf den rundum befindlichen Leinwänden altes Gemäuer, Kirchen, Klagemauer, die Kuppe. Der Al-Aqsa-Moschee, Gässchen und Bazare der Altstadt erscheinen. Später auch Israels hohe Beton-Trennwände und moderne Stadtviertel.“…
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Zehn Tänzer im leeren Raum– die Gesichter im Dunkeln– von den Seiten her angestrahlt von rasch auf- und abblitzendem Licht. Mechanische Bewegungen, sehr kleine synchrone Gesten, das kollektive Zurückbiegen des Oberkörpers, Hände zucken zur Armbeuge gegenüber. Es huscht, es flattert, es lauert; Gruppierungen verschieben sich. Und dann marschiert das wieder homogenisierte Menschengewirr frontal auf das Publikum zu. Eine Drohung, ein Angriff?
Es ist ein einziges Drängen elektrifizierter Körper, das Anna Konjetzky auf die Bühne der Muffathalle gebracht hat. Bald meint man, es mit einem sich formierenden Mob zu tun zu haben oder mit zuckenden Gliedern eines aus dem Häuschen geratenen Tieres, dann wieder hüpft einer so easy aif und nieder, als wolle er nur über eine zu hohe Mauer spicken – und das anfänglich starke Gefühl der latenten Bedrohung ist wie weggewischt.
(…)
In der Koproduktion der Muffathalle mit Vietnam National Opera und Ballet und dem Goethe-institut Hani bilden fünf deutsche und fünf vietnamesische Tänzer stimmiges Team. Der Beginn ist energetisch so dicht, dass man dem schwachen Dutzend die zu allem bereite Menschenmasse abnimmt.
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