chipping // Abendzeitung München
Toller Tanz zu Störgeräuschen
Abendzeitung München, 10.10.2014 // Autor: Michael Stadler
(…) Die Choreografin Anna Konjetzky, 2014 ausgezeichnet mit dem Förderpreis Tanz der Landeshauptstadt München, hat mit „chipping“ ein Tanzstück entwickelt, in dem sich der Körper einer Tänzerin in Relation zu einer Landschaft aus fünf Kuben, Licht und Videos und einer postindustriellen Soundcollage eindrucksvoll bewegt.
Ein Lichtspalt fährt am Anfang über die verschieden großen Kästen. Die Tänzerin im grauen Hoody versteckt sich zunächst vor ihm, wird immer wieder eingefangen. Das Individuum in der Überwachungsgesellschaft fällt einem da ein: Verstecken ist zwecklos in einer Gesellschaft, in der man immer wieder aufgenommen, immer wieder gescannt wird. Die Kuben um die Tänzerin geraten eigenwillig am Boden in Hin-und Her-Bewegungen, während die Störgeräusche einer Maschinenwelt ins Ohr dringen. Manchmal scheint es, dass die Tänzerin die Kontrolle über ihre Umgebung gewinnt. Aber sie ist doch eher eine Reagierende, die von den Kuben getrieben wird, von ihnen fällt, sich wie tot schieben lässt, um sich doch wieder aufzurichten.
Die Tänzerin Sahra Huby beeindruckt mit unglaublicher Körperbeherrschung, isoliert perfekt einzelne Körperpartien für konvulsivische Bewegungen, die nicht mehr menschlich wirken. Die Selbstentfremdung des modernen Subjekts, verloren in einem Großstadtpanorama, tritt unheimlich vor Augen.
Sahra Huby laugt sich aus, wird ausgelaugt von einer Umgebung, die ihr kaum eine Atempause gönnt. Dann entsteht aber doch plötzlich Ruhe, Hubys Bewegungen werden langsam, der Lichtspalt berührt sie fast zärtlich. Eine Befreiung gibt es aber nicht in Konjetzkys atemraubenden Tanzstück. Nur kleine Momente der Euphorie, buchstäblich Hochgefühle.
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