Anna Konjetzky & Co

Furiose Bilderwucht Anna Konjetzkys Tanz lotet immer neue Grenzen aus

Georg Tabori Preis 2013

Der Tagesspiegel, Sonderbeilage Georg Tabori Preis 2013
Mittwoch 8. Mai 2013 / 69.Jahrgang / Nr.21 682 // Autor Patrick Wildermann (PAW)

„Als würde man Gott oder einem stellvertretenden Genius bei der Erschaffung eines Lebensraums zuschauen“ – diesen euphorischen Erweckungseindruck nahm eine Kritikerin aus dem Tanzstück „Die Summe der Öffnungen“ (2010) der jungen Tänzerin und Choreografin Anna Konjetzky mit. Die Arbeiten der Münchnerin, die in Brüssel ausgebildet wurde und bis 2008 Assistentin von Wanda Golonka am Schauspiel Frankfurt war, polarisieren und faszinieren gleichermaßen.

Ihrer überwältigenden Körperkraft jedenfalls kann sich kaum jemand entziehen.

Die Künstlerin bestürmt in ihren Solo- und Ensemblewerken mit Bilderwucht. Etwa wenn im Stück „Tagebuch – si un jour tu décides de partir“ ein Cellist den entblößten Leib einer Tänzerin bespielt wie zuvor sein Instrument. Wenn in „Die Summe der Öffnungen“ die Tänzer auf einer raumgreifenden Quadar-Skulptur von Anton Lukas ein archaisches Gewordensein performen.

Wenn schließlich in „Abdrücke/Abdrücke folgen“ eine Tänzerin im inneren eines verspiegelten Kubus einsam zeichnet – blind gegenüber dem Außen, während die Zuschauer Einblick haben. Fast immer schafft die Musik dazu eine zweite, drängend, pulsierende Ebene.

Nicht selten greift Konjetzky auch mit Film- oder Videoprojektionen ein, die ein anderes Licht auf den Körper werfen, ihn reflektieren, in den Close-up rücken. Oder sie hinterfragen das Wesen der bodyart, wie in ihrem furiosen Stück „Elephantengedächtnis“, das in Leipzig 2009 den Solotanzwettbewerb gewann – indem sie den Körper zur Maschiene ausbaut.

Ihre Arbeiten sind Grenzerkundungen, in jeder Hinsicht. Der 1980 geborenen Konjetzky, die längst weltweit tourt, gelingt es immer wieder, die Schnittstelle zwischen Tanz und Bildender Kunst zu weiten. Ihre jüngste Inszeniereung „und weil er sich dreht, kehrt der Wind zurück! Begeistert einmal mehr als begehbare Installation. Hinter einer Absperrung wartet das Publikum auf den Einlass in ein imaginäres Jerusalem. Eine hautnahe Erfahrung steht bevor, die das Medium Tanz auf der Höhe der Zeit und der Kunst zeigt.

PAW