Höhenflüge mit Bodenhaftung
Die Choreografin Anna Konjetzky und ihre aktuellen Projekte
Süddeutsche Zeitung // Autor: Eva-Elisabeth Fischer
Die Choreografin Anna Konjetzky kann dank guter Bodenhaftung Höhenflüge wagen. Denn ihr verlässliches Standbein stabilisiert ein in alle Richtungen bewegliches Spielbein. Künstlerisch seit 2005 fest verankert in ihrer Heimatstadt München, ist sie längst schon international zu Festivals und Workshops unterwegs mit ihren Tanzstücken und Tanzinstallationen. Letztere lässt sie nicht nur von ihren Tänzerinnen und Tänzern aufführen, sondern studiert sie mit Leuten an Ort und Stelle ein, auf dass spezifische lokale Bedürfnisse in eine Arbeit miteinfließen. Denn das gehört unbedingt zu ihrem Konzept. Anna Konjetzky nämlich betrachtet den Tanz, die Arbeit und die Auseinandersetzung mit dem Körper, dessen Beschränkungen, ja Grenzen auch als gesellschaftspolitischen Akt. In München wird sie dafür optionsgefördert. In Berlin bekommt sie drei Jahre lang die Konzeptionsförderung des an den Tabori-Preis gekoppelten Fonds Darstellende Künste. Und kürzlich kam noch, ebenfalls für die Dauer von drei Jahren, die Exzellenzförderung von „Tanzpakt. Initiative Stadt-Land-Bund“ hinzu.
Das passt. Denn Konjetzkys thematisch ineinandergreifende Projekte bekommen damit einen, allerdings zeitlich begrenzten, fixen Aktionsrahmen. In München, in den Labor Ateliers auf dem Kreativquartier eröffnet sie demnächst mit einer Tanzperformance ihr Studio mit dem schönen Namen „Playground“. Dieser Spielplatz, ein Labor, mit ihrem Team Dinge auszuprobieren (und dabei auch an Grenzen zu stoßen), fungiert als „Heimstätte, Archiv, Dialograum“, in dem Denkbares in Möglichkeitsform diskutiert, skizziert und auch ausprobiert wird. Das passiert spartenübergreifend und in regem Austausch mit dem Publikum. Geplant sind Film- und Tanzaufführungen, Gesprächsrunden und Lesungen, in dem sich gleichsam in einem Mikrokosmos „die Stadt verortet“.
Anna Konjetzky beschäftigt sich, sagt sie, in den kommenden Jahren „mit Freiräumen. In einer Zeit und einem politischen Klima, in dem sich diese verengen oder angegriffen werden, ist es eine Notwendigkeit, Begegnungs- und Gedankenräume zu schaffen. Räume für Utopien, für andere Blickwinkel und Welten, Einladungen zum Denken, zum Träumen“. Ihr Medium und das ihrer Mitstreiter und Mitstreiterinnen: der „denkende“ Körper.
Die denkenden Körper begeben sich nun noch mehr auf Reisen als bisher. Und es ist kein Wunder, dass die erste Station von Anna Konjetzkys von der Bundeskulturstiftung unterstützte „Nomadische Akademie“ nach Polen vagiert. Im Zentrum des sozialen und politischen Diskurses mit der Kunst und dem Tanz als Plattform erscheint ihr Polen als der richtige Ort, den Rechtsruck der Gesellschaft zu hinterfragen, wie er sich ja nicht nur dort fortschreitend vollzieht. Solchen Entwicklungen will sie mit dem „Queren“, dem Querdenken und auch dem „Queeren“, dem vielfältig Andersartigen, entgegentreten, wie es von eingleisig begrenzt Denkenden nicht geduldet wird. Mit der „Nomadischen Akademie“ die (eigenen) Grenzen erweitern, das erscheint als ein grenzüberschreitendes Projekt, wie es ja gerade auch – ein Zufall? – in anderen Zusammenhängen, etwa der Ausstellung „Sag Schibolet!“ im Jüdischen Museum München zur Diskussion gestellt wird.