hope/less // Abendzeitung
Die Zuschauer in Schwindel versetzt
Abendzeitung, 30.09.22 // Autor: Vesna Mlakar
Die Uraufführung der Tanzperformance „hope/less“ von Anna Konjetzky in der Muffathalle
Aus Münchens freier Tanzszene ist Anna Konjetzky nicht mehr wegzudenken. Hier im Kreativquartier hast sie schon seit einigen Jahren ihr eigenes Studio names Playground, daas die Choreograaphin immer wieder auch mit ausländischen Künstlern in residence spartenübergreifen bespielt oder kollektiv Ausstellungs- bzw Austaucshformate produziert. Hat man eines ihrer Werke verpaasst, daarf man häufig aauf eine Wiederaufnaahme hoffen.
Als eine der ganz wenigen Freien verfügt Konjetzky mittlerweile über ein regelrechtes und gastspielerprobtes Repertoire. Möglich wird das, weil sie die technisch oft mobilen und meist eng in die Choreografien einbezogenen Bühnenbauten selbst einlagert. Für ihre in der rigiden Zeit der Lockdowns entwickelte Solo- Produktion „Über die Wut“ wurde soeben Sahra Huby- Konjetzkys langjährige kreative Mitstreiterin und famose Interpretin in jedem ihrer Stücke- als „ beste Darstellerin Tanz“ für den Deutschen Theaterpreis „ Der Faust“ nominiert.
In „hope/less“, Konjetzky neuestem Stück, ist Sahra Huby neben Daphna Horenczyk, Quindell Orton und Jascha Viehstädt eines von insgesamt vier individuell starken Kettengliedern, deren Hände, Flanken oder Fußsohlen sporadisch gern miteinander in gegenseitigen Kontakt treten.
Besonders daran ist, dass das kletterlustige Performer-Team ein auf vier schmalen Gerüstpfosten in die Höhe ragendes Quadrat bespielt. Oben, einige Meter über dem Boden, sorgt ein Haltenetz aus Autogurten für eine gefährlich wackelig-löchrige Spielfläche.
An den Säulen unten dran befinden sich kleine Rollen. Man bemerkt das erst, als einer der Tänzer Anlauf nimmt, sich affenartig an die Querstreben schmeißt und dann turnerisch ambitioniert daran herumhangelt. Ein schöner Moment, der zusätzlich Schwung in die passagenweise viel gefühlige Introvertiertheit und perfekt einstudierte Slow Motion aufbietende Performance bringt. Da gerät das Stangenkonstrukt mitsamt den teils darin verkrallten Interpreten so plötzlich selbst in Bewegung, dass sogar dem Zuschauer, der bis dahin die balancierenden Künstler in stabiler Sicherheit vermutet hat, quasi der Boden unter dem Sitz wegzurutschen scheint und ihn- einen optischen irritierten Augenblick lang- ein kurzer Schwindel erfasst.
Mit wundervoll biegsamem Drive und selten nur unisono trägt das bei aller Abstraktheit umsichtig aufeinander eingehende Interpreten-Kleeblatt die einstündige Performance aus risikowilligem Wagemut und Momenten emotional hilflosen Frusts. Thematisch passt die Produktion wie die Faust aufs Auge zu den mehrfachen, verzahnten, sich derzeit global ausbreitenden Problemhorizonten. Wenig zur Sache tut es was im Detail genau an persönlichen Einschätzungen die im Vorfeld interviewten Frauen und Männer, deren Stimmen das Publikum gleich zu Beginn und fortan in unregelmäßigen Abständen aus dem Off zu hören bekommt, um das Wort „Hoffnung“ sowie deren Abwesenheit herum vorbringen. Uns mal mobilisierende, mal hemmende Zukunftsängste- und wünsche haben wir letztlich alle.
Man kann Anna Konjetzky eine Provokateurin sehen, der es um Werte geht. Egal, ob ihre choreografischen Arbeiten radikal-explosiv sind wie ihre Recherche zur Wut, oder in der Art und Weise der Ausdrucksmittel wesentlich zurückgenommener. Letzteres ist bei „hope/less“ der Fall. Auch hier gelingt es ihr- ausgehend von an sich klaren physischen bzw. emotionalen Phänomenen- Prozesse des Nachdenkens in Gang zu setzen. Ihr Mittel hierzu ist fein inszenierte Körperlichkeit. Schlicht und einfach wirkungsvoll.
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