wah-wah // Münchner Feuilleton
Feinstoffliches
Münchner Feuilleton , November 2016 // Autor: Katja Schneider
Neues von Anna Konjetzky und Stefan Dreher: Die einen ziehen im Sog des Kreises ihre Bahnen, die anderen treten nacheinander aus dem Schatten.
Tänzerische Schwärme waren mal groß in Mode. In den Nullerjahren experimentierte man gerne mit selbststeuernder Bewegung, kinästhetischem Respons und den Wirkungen, wenn sich Kollektive wie im Schwarm organisieren. Wer steuert, wer folgt, wie erfolgen die nonverbalen Absprachen, wie gelingt das Spiel von Aktion und Reaktion, Kontrolle und Laufenlassen? Das war spannend, manchmal aber auch ermüdend. Und eigentlich war es durch. Anna Konjetzky belebt jetzt den Schwarm-Topos noch einmal von der anderen Seite: Sechs Tänzerinnen und Tänzer arbeiten sich an der Vergemeinschaftung ab. Zum Schwarm konstellieren sie sich dabei nur passagenweise. Zunächst laufen sie sich warm. Immer links rum. Das Publikum sitzt auf Podesten, die in der Kammer 2 im Achteck angeordnet sind. In diesem Oktagon bewegen sich Sahra Huby, Viviana Defazio, Quindell Orton, Michele Meloni, Damiaan Veens und Jascha Viehstädt als permanente Linksdreher: rennend, springend, hüpfend, gehend, trabend, vorwärts, rückwärts, im Aerobic- Knie-hoch-Gang. Sie sehen sich offen an, abwartend, nicht lauernd. Und dann jagen sie sich doch. Das ist einer der stärksten Momente in diesem Mobile, wenn sich Quindell Orton ihren Mittänzern in den Weg wirft, in Läufe rutscht, zum Ausweichen zwingt. Ein anderer zwingender Moment entsteht, wenn sie sich aus einer Ruhepause in Anspannung einander zuwenden, umkreisen und sich stoßend, zuckend, aneinander reibend, ringend, zupackend, beißend und saugend ineinander verknäulen. Dieses »Wah-Wah« (seinen Namen verdankt das in den Kammerspielen uraufgeführte Stück der durch die Stadt optionsgeförderten Choreografin einem Sound-Effekt) schickt das Publikum durch Höhen und Tiefen. Aus letzteren schallt der Soundtrack von Brigitta Muntendorf. So clean und cool der Raum von Linda Sollacher (Licht: Wolfi Eibert), so verquatscht die Audiospur.
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23.10.2016